Interpretation des Märchens
Von Anfang an wird die Entwicklung der Müllerstochter von männlichen Personen bestimmt und erzwungen. Das Mädchen wird mit männlichen Erwartungen belegt, die sie einlösen muß. Ein individuell weiblicher Entwicklungsweg ist nicht möglich. Die früh geprägte Fremdbestimmtheit bewirkt die Bedürfnis- und Willenlosigkeit des Mädchens und ermöglicht Rumpelstilzchen, sich zunehmend in ihrem Leben auszubreiten. Am Ende beansprucht der Kobold ihr Kind.
"Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß."
Die Müllerstochter befreit sich aus dieser Hörigkeit und erwirbt sich eine eigene Lebensbasis. Sie rettet ihr Kind.
Rumpelstilzchen
ist ein tiefgreifendes und erschütterndes Märchen aus der
Frauengeschichte und hat heute noch Gültigkeit für viele weibliche
Lebensentwürfe.
Die Grundrechte der Frau auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sind inhaltliche Schwerpunkte des Märchens.
Rollenbeschreibung
Die Müllerstochter
ist das Kind, aber auch die Ware des Müllers. Er belegt sie mit seinen Erwartungen und bietet sie dem König an. Sie ist dieser Zuschreibung ausgeliefert. Sie wird vom Vater an den König weitergegeben, der die versprochenen Fähigkeiten einfordert.
Der Müller
Die väterliche Beziehung zur Tochter steht für den allgemein üblichen Umgang mit Frauen. Die männliche Dominanz und die weibliche Fügsamkeit entsprechen dem Zeitgeist und sind für Frauen und Männer verbindlich. Die Müllerstochter wird so erzogen und wird dem König angeboten.
Der König
Der König probiert aus, ob die Frau funktioniert und die Erwartungen erfüllt.
Der Spiegelpartner überragt die Müllerstochter um ein vielfaches. Der Königstatus beschreibt den Stellenwert des Mannes. Er ist bereits vor der Hochzeit die gültige Persönlichkeit. Er setzt die Maßstäbe, er fordert, kontrolliert und belohnt. Die Frau muß nach seinen Vorstellungen werden und wird dann von ihm zur Königin erhöht.
Rumpelstilzchen - der Kobold
Ein "gar lächerliches Männchen" erfüllt die Forderungen und rettet das "soziale" Leben der Müllerstochter. Rumpelstilzchen entspringt aus dem Handel von Müller und König und ist eine Situationsfigur, die den weiteren Prozeß aus diesem Handel aufzeigt..
Der Kobold hat eine Doppelfunktion: er ist Hilfe und Gefahr und diese Kombination ist verhängnisvoll und schwer zu durchschauen.
Kobolde sind den Hexen und den Zauberern zugeordnet. Sie wechseln von einem ins andere Reich. Kobolde sind unberechenbar und nicht kontrollierbar. Sie verwirren durch ihr uneinschätzbares Handeln. Sie tauchen auf und verschwinden, sie sind gut und bös, sie sind Hilfe und Gefahr. Ihr Ursprung und ihr Ziel sind schwer zu begreifen. Sie transportieren einen verzauberten Inhalt auf hexenhafte Art und Weise in die lebendige Märchenfigur.
Rumpelstilzchen ist eine äußerst bösartige Prozeßfigur. Da Methode und Inhalt unentdeckbar miteinander verknüpft sind, ensteht der berühmtberüchtigte Teufelskreislauf, aus dem es nur schwer ein Entkommen gibt.
" Das hat Dir der Teufel gesagt", ist der letzte Ausdruck des Kobolds
Sein Plan ist durchschaut worden.
Das Kind der Königin
Das Kind im Märchen bedeutet einen neuen Lebensabschnitt aufbauend auf der Vergangenheit. Das Kind symbolisiert das Leben nach der Hochzeit, nach der Spiegelung..
Rumpelstilzchen hat berechtigten Anspruch auf das Kind, denn es hat die Entwicklung der Müllerstochter zur Königin ermöglicht. Rumpelstilzchen ist der Erzeuger des Kindes und stellt den Anspruch der Vergangenheit. Die Königin will ihr Kind behalten.
Sie will ihr Leben in der Zukunft anders gestalten als in der Vergangenheit. Dabei holt sie Rumpelstilzchen, dem sie sich versprochen hat ständig ein. Sie muß so bleiben wie in der Vergangeheit.
Die Königin hat kein Recht auf persönliche Entfaltung.
Das gerettete Kind wird zum abschließenden Spiegel der Königin.
Am Ende des Märchens steht das Kind für ihre Selbstfindung, Selbstbehauptung und Selbstentfaltung, die psychische Lebensrettung
Von diesem Interpretationskonzept ausgehend, bekommt die gegengeschlechtlichen Spiegelung eine erweiterte Bedeutung. In diesem Märchen findet in der Anfangssituation ein gewaltsamer gegengeschlechtlicher Spiegelungsversuch statt. Die Müllerstochter muß so werden wie, der König es vorschreibt. Es handelt sich nicht um Entwicklung, sondern um Druck, Manipulation und Erpressung. Rumpelstilzchen entsteht aus dem Menschenhandel und schiebt sich als Prozessfigur zwischen Müllerstochter und König. Der Kobold verschlüsselt die Manipulation der Frau von außen - er ist der aktive, unsichtbare Spiegel des Königs. Zugleich macht er die Reaktion der Frau auf die Manipulation sichtbar - er ist der passive Spiegel der Königin. Sie bemerkt ihre Willenlosigkeit und Hörigkeit, trennt sich von Rumpelstilzchen und nimmt ihr Leben selbst in die Hand. Sie spiegelt sich abschließend in ihrem Kind, das sie am Ende für sich selbst gerettet hat.
Interpretation des Märchengeschehens
Die Anfangssituation
Der verarmte Müller will sich bei Gelegenheit ein Ansehen geben und benutzt seine Tochter.
Die Vorgaben, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen,
entsprechen nicht den Tatsachen aber reizen den König, sich auf einen
Handel einzulassen. Der interessierte König nimmt das verlockende
Angebot unter einer Bedingung an. Er will die Fähigkeiten der Tochter
testen und droht bei Nichterfüllung mit ihrem Tod. Beide Männer denken
und handeln ihrem Vorteil entsprechend. Das Märchen beschreibt den
legitimen Frauenhandel. Das Risiko in diesem Geschäft trägt das Mädchen
allein. Ihr Leben ist in Gefahr, wenn sie die Erwartungen nicht erfüllt.
In dieser Einführung wird deutlich, daß ein eigener
Entwicklungsweg des Mädchens nicht möglich ist. Die Drohung "sonst mußt
du sterben" unterstreicht die Ernsthaftigkeit und Ausweglosigkeit dieser
Situation. Würde sie sich widersetzen, wäre ihr "Leben" bedroht. Sie
würde ausgeschlossen, verachtet, und entwertet. Frauen, die sich nicht
der kulturellen Rollenzuschreibung unterordnen, wurden früher sehr hart
und werden heute noch dafür bestraft.
Die Müllerstochter muß das tun, was der Vater vorgab und der König einfordert.
Der Vater als Vertreter seiner Generation gestaltet und übergibt
der neuen Generation die gewünschte Frau. Niemand erhebt Einwände. Die
reale Mutterfigur oder die weibliche Unterstützung und Orientierung gibt
es nicht. Frauen haben in diesem Märchen keine eigene Identität. Sie
spielen in diesem Märchen keine Rolle.
Das Märchen thematisiert auch die kulturelle Rechtlosigkeit aller Frauen und die Auslieferung der Frau an den Mann.
Rumpelstilzchen, ein Kobold aus dem Hexen- und Zaubererreich
kommt der Müllerstochter in ihrer Ausweglosigkeit zu Hilfe.
Er kann Stroh zu Gold spinnen - er macht Unmögliches möglich.
Wenn in der Märchensprache ein Prozeß " hexen- oder zauberartig"
besetzt beschrieben wird, dann handelt es sich immer um eine Störung
höchsten Ausmaßes. Rumpelstilzchen entsteht aus dem Handel der Männer.
Die Hexe ist die Steigerung der Märchenstiefmutter, des schiefen -
hinderlichen Verlaufs hin zum lebensfeindlichen Verlauf.
Der Zauberer bannt Menschen und deren Werte in die Unveränderlichkeit.
In diesem Märchen transportiert Rumpelstilzchen auf heimtückische
Art und Weise = hexenhaft den starren festgelegten Inhalt = Verzaubertes
in eine lebendige Person. Rumpelstilzchen ist gleichzeitig Inhalt und
Methode. Es ist eine Figur mit doppelter Aufgabenbesetzung,
lebensfeindlich im Vorgehen verbunden mit unveränderlichen erstarrten
Inhalten. .
Rumpelstilzchen ist vorerst die rettende Hilfe, dann die große Gefahr des Persönlichkeitsverlustes und als diese auch die Aufforderung zur Selbstfindung, Selbstbehauptung und Selbstentfaltung.
Rumpelstilzchen
fordert anfangs für seine Leistung einen geringen Preis und die
Müllerstochter geht auf den Handel ein. Es ist hilfreich. Ohne seine
Einmischung müßte die Müllerstochter in den Beziehungstod verschlüsselt
durch " Wenn Du nicht....,dann mußt du sterben." Es geht in diesem
Märchen um " Alles oder Nichts" um " Anerkennung und Ablehnung" um
"Anpassung oder Abseits" um " Selbstaufgabe oder Selbstbehauptung"...um "
Sein oder Nichtsein"...........eines weiblichen Wesens.
In der Methapher "Stroh zu Gold spinnen" ist diese unüberwindbare Gegensätzlichkeit, Kompromißlosigkeit und Aussichtslosigkeit beschrieben.
Das Unmögliche ist doch möglich.
Rumpelstilzchen
erfüllt die Forderungen, wenn die Müllerstochter bereit ist, einen
äußerlichen Preis dafür zu bezahlen. Die Müllerstochter muß auf den
Handel mit dem Rumpelstilzchen eingehen und gibt ihm Ring und Halsband,
Schmuckstücke, die das weibliche Wesen betonen. Sie investiert ihre
äußerliche oder körperliche Weiblichkeit und erfüllt damit die
äußerlichen Erwartungen.
In einer anderen Fassung des Märchens wird diese Stelle
ausführlicher erzählt. Drei alte Frauen führen vor, daß auf
Rumpelstilzchens Art und Weise zu spinnen, häßlich macht. Ich gehe nicht
näher auf diese Fassung ein.
Der König ist mit der Leistung zufrieden. Sein Vorgehen hat
funktioniert und mit dieser Bestätigung erwachen größere Wünsche. Wenn
die Müllerstochter diese erfüllt, wird sie von ihm zur Königin gemacht.
Dann ist es für ihn angezeigt, die Müllerstochter in seinen König-Status
hinaufzunehmen.
Der König denkt so: " Auch wenns nur eine Müllerstochter, eine
reichere Frau find ich nicht." Eine Frau, die noch besser nach seinen
Wünschen lebt und seine Forderungen erfüllt, findet er nicht. Der König
bewertet die Frau in Hinblick auf seine persönlichen Bedürfnisse und
seine Gewinnaussichten.
Die Müllerstochter kann dem Kobold für seine steigende Leistung keine äußeren Werte mehr anbieten. Diese Möglichkeit ist ausgeschöpft, sie hat nichts mehr einzutauschen.
Rumpelstilzchen beansprucht das " Kind der Königin", etwas Lebendiges, nicht nur Äußerlichkeit, nicht nur Schein, sondern Sein. Es greift nach der inneren Beteiligung der Müllerstochter. Sie verspricht Rumpelstilzchen ihr Kind. Sie bindet sich mit diesem Versprechen an den Kobold, dessen Hilfe sie zu diesem Zeitpunkt nicht ablehnen kann. Dieses Versprechen in die Zukunft hinein hat Rumpelstilzchen, der aktive Spiegel des Königs angestrebt. Sie verspricht sich damit auch den Zuschreibungen des Königs. Sie wird zu der Frau, die der König will und die der Vater versprochen hat.
Die Vergangenheit hat der Vater bestimmt, die Gegenwart liegt in dem Machtbereich des Königs und die Zukunft hat Rumpelstilzchen beschlagnahmt. Sie ist in Männerhand, äußerlich und innerlich, räumlich und zeitlich.
Aus der Abhängigkeit wurde Hörigkeit.
Sie gehört sich nicht mehr selbst. Sie ist im Besitz des Rumpelstilzchens, sowohl von der aktiven als auch passiven Seite. Sie erfüllt, was von ihr gefordert wird. Sie wehrt sich nicht mehr - sie fügt sich.
Die Hochzeit des Königs mit dem Rumpelstilzchen
Der König weiß
nichts von der Existenz des Rumpelstilzchens, das die geforderten
Leistungen bisher erbrachte. Rumpelstilzchen wird durch seine Leistung
zum direkten Spiegelpartner des Königs. Der König vermählt sich mit dem
aktiven Rumpelstilzchen, an das auch die Müllerstochter passiv gebunden
ist. Hier wird die aktive und passive Spiegel-Seite des Koblods
deutlich.
Der Kobold wirkt als Beziehungs-Zwischenglied gleichzeitig von
außen nach innen und von innen nach außen bindend. Rumpelstilzchen ist
der Beziehungsmagnet. Es ermöglicht und hält die Verbindung von König
und Müllerstochter aufrecht. Es verhindert ein Auseinanderbrechen der
Beziehung. Es unterstützt den König aktiv und zwingt die Müllerstochter
in die passive Haltung.
Rumpelstilzchen hat in diesem Spiegelungsprozeß die Führung übernommen. Es ist die Hauptfigur des Märchens.
Das Kind aus dieser Verbindung
Rumpelstilzchen hat dieses Kind der Königin möglich gemacht und
erhebt Anspruch. Die Müllerstochter hat jede zu erwartende Möglichkeit
auf eigene Lebendigkeit und Entwicklung Rumpelstilzchen versprochen.
Veränderung ist nicht möglich. Sie muß so bleiben, wie sie in der
Vergangenheit gemacht worden ist und wie sie sich selbst hinein in die
Zukunft versprochen hat.
Der König zeigt keinerlei Interesse an diesem Kind. Er
interessiert sich weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft für das
Leben der Müllerstochter. Sie hat seine Vorstellungen zu erfüllen,
sonst nichts. Die Beziehung vor und nach der Hochzeit zwischen König und
Königin bleibt im Märchen leer und unbeschrieben. Die Müllerstochter
war mit Rumpelstilzchen allein in der Kammer und die Königin ist jetzt
mit ihrem Kind allein im Schloß. Es hat sich nichts wesentliches
verändert.
Von außen betrachtet scheint alles in Ordnung zu sein. Die
Erpressung ist vorbei. Die Müllerstochter ist legitimiert worden. Der
König kann die Königin nicht mehr wie eine Müllerstochter behandeln. Sie
hat jetzt seinen Status und damit den nötigen Schutz vor seiner
unmittelbaren Willkür. Für sie ist die " Königin- Sicherheit" das Glück
schlechthin gemessen an der früheren Bedrohung. Sie ist zufrieden mit
ihrem jetzigen Leben und hat Rumpelstilzchen vergessen. Die äußeren
Bedingungen haben sich ein wenig zu ihren Gunsten verändert. Die Königin
beginnt in dieser Status- Sicherheit zu leben, zu spüren, zu
denken....zu handeln.........!!! Das ist nicht erlaubt.
Dieser Versuch ruft Rumpelstilzchen auf den Plan.
Das eine erzeugt automatisch das andere. Der Kobold nimmt das
Kind, nimmt ihr immer wieder diese "erwachende Lebendigkeit".
Rumpelstilzchen ist der Bumerang aus der Vergangenheit in die Zukunft
Plötzlich taucht Rumpelstilzchen auf und fordert den versprochenen Lohn.
Die Königin hat keinen Anspruch auf sich selbst. Rumpelstilzchen,
der verinnerlichte Spiegel des Königs in der Königin sorgt dafür.
Verbote, Hemmungen, Schuldgefühle, Ängste, Mutlosigkeit.......usw.
passiv machende Gefühle.sind in Rumpelstilzchen versteckt. Der
Zauberbann funktioniert. Die Frau bleibt durch sich selber so, wie es
ihr zugeschrieben worden ist und zudem sie sich verpflichtet hat. Jeder
Entwicklungsversuch ist zum Scheitern verurteilt. Sie hat kein Recht,
eigene Bedürfnisse zu spüren und Ziele zu verfolgen. Sie gibt sich immer
wieder selbst auf. Sie scheitert an sich selbst.
"Etwas Lebendiges ist mir lieber als alle Schätze dieser Welt."
Der Kobold drückt so seinen Auftrag aus.Diese Stagnation "Verzauberung durch den hexenhaften Prozeß" kostet nicht nur Kraft, sondern führt durch ständige Mißerfolge in die Verunsicherung. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl, wichtige Stärken gehen zugrunde und stabilisieren die Hörigkeit. Das schwindende Selbstvertrauen führt zur Hilflosigkeit und erzeugt das Anlehnungsbedürfnis. Die starke und helfende Person wird überbewertet und doppelt wichtig.
Versagen, Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit sind in Rumpelstilzchen einprogrammiert. Der Plan ist perfekt.
Bleib so, wie du bist, denn dann gehörst du mir, ist das Ziel des Kobolds.
Das Kind der Königin steht nun zwischen zwei Ansprüchen.
Wird ihr Kind vom Kobold genommen oder kann sie es behalten?
Die Königin erschrickt über den eindeutigen und berechtigten
Anspruch und will das Kind unter allen Umständen behalten. Sie steht zu
ihrem Kind sie spürt ein tiefes Bedürfnis, das Kind zu behalten. Sie
spürt deutlich ihre Lebendigkeit.
Immer wenn Rumpelstilzchen auftaucht und nimmt, wird die Königin
Versagen, Verlust und Leere und Hilflosigkeit erleben. Durch die
Mutterrolle werden diese Gefühle verstärkt beschrieben. In diesem
mütterlichen Bild verbirgt sich aber auch eine größere
Verantwortungsbereitschaft und Schutzmöglichkeit für das werdende Leben.
Die Königin will das Kind nicht mehr hergeben. Sie liebt es nicht nur,
sondern fühlt sich auch verantwortlich für dieses junge Leben.
Ihre persönliche Veränderung ist in der Mutterrolle ausgedrückt.
Man kann mit ihr nicht mehr umspringen wie mit einem kleinen Mädchen.
Trotz aller List von außen ist die Königin nicht mehr die
Müllerstochter. Als Königin, als erwachsene Frau hat sie andere
Möglichkeiten.
Die Königin bemerkt in ihrer Mutterrolle, welches Leid ihr von dem
Kobold angetan wird. Aus diesem Leidensdruck leistet sie Widerstand
gegen Rumpelstilzchen. Sie verweigert sich Rumpelstilzchen - ein
ungewöhnlicher mutiger Schritt, durch den sie die Situation grundlegend
verändert. In der Verweigerung ist die erste Handlung.
Die Königin wird aktiv und zwingt Rumpelstilzchen zu einer
Reaktion. Rumpelstilzchen verliert die Führung im Prozeß- es wird in
eine Auseinandersetzung gedrängt. Der hexenhafte, gegenläufige Prozeß
verändert sich. Sie handelt, setzt die erste Aktion und Rumpelstilzchen
muß darauf eingehen und ein Angebot machen.
"Wenn Du meinen Namen findest, so sollst du dein Kind behalten."
Nun
hat die Königin eine neue Verhandlungsbasis, eine neue Abmachung, das
das alte Versprechen aufhebt. Sie hat einen möglichen Ausweg, eine
Wende, eine Umkehrung gefunden. In jedem Prozeß steckt trotz jeder
Zauberei und Hexerei eine winzige positive Entwicklung, die nicht
einplanbar und fremdbestimmbar ist. Hier hat die Zaubermacht und die
Hexenmacht, hier hat Rumpelstilzchen seine Grenzen. Trotz der Hörigkeit
entwickelt sich in einem neuen Lebensabschnitt eine dazugehörige
Fähigkeit unabhängig von der Vergangenheit. In jedem Abschnitt steckt
eine neue Möglichkeit, die für die notwendige Veränderung genutzt werden
kann.
Wenn Du meinen Namen weißt, so sollst Du Dein Kind behalten.
Die Königin akzeptiert die Aufforderung - sie stellt sich der Aufgabe
Sie muß den
Kobold suchen, um ihn benennen zu können.
Sie muß die Prozeßfigur in seiner Ursache, seiner Wirkung und seinem
Ziel begreifen. Die Aufgabe ist klar. Die Königin muß sich beeilen, sie muß die
vorgegebene Zeit der 3 Tage nutzen. Sie denkt nach, forscht und
erkundet.
Den ersten Tag besinnt sie sich auf sich selbst - sie bleibt in
ihrem vertrauten persönlichen Erfahrungsbereich. Die Namen Kaspar,
Melchior, Balzer sind die Namen der Hl. Drei Könige und deuten auf die
übliche religiöse Erziehung hin. Die Namen deuten auf die Beteiligung
der Kirche hinsichtlich der Geschlechterbeziehung hin.
Am 2. Tag erweitert sie ihre Nachforschungen. Sie läßt andere
befragen. Sie bewegt sich aus ihrer Isolation und vergleicht. Sie will
wissen, wie Männer außerhalb ihres Erfahrungsbereiches genannt werden.
Sie findet die ungewöhnlichsten Namen, die gefährlich und bösartig
klingen. Es gibt also die bösen männlichen Absichten.
Die Königin
beobachtet männliches Verhalten. Sie schickt Boten, männliche Erkunder
auf die Suche. Die Königin geht männlichen Gedankengängen nach - wie
denkt und was beabsichtigt der König.
Die Königin benutzt dazu ihre geistigen Fähigkeiten. Sie geht
nicht gefühlsmäßig an die Arbeit, denn ihre Gefühle sind von
Rumpelstilzchen besetzt und würden sie in die Irre führen.
Der Bote der Königin entdeckt das Versteck des Kobolds
Sie kommt durch Nachforschungen dem Kobold auf die Spur. Sie entdeckt die Idee, den Plan, das Ziel der Männer. Sie entdeckt den Handel des Müllers und des Königs mit ihrer Person. Hier liegt der Ursprung des Kobolds..
Der Kobold
bereitet in einem verborgenem Winkel sein Fest vor. Er freut sich auf
die Übergabe des Kindes. Er ist sich sicher, das Kind zu bekommen und
bereitet das Mahl vor.
Er ist gewohnt, der bisher hörigen, bedürfnislosen und willenlosen
Königin das Kind zu nehmen. Rumpelstilzchen bereitet sein Festmahl vor -
er arbeitet gezielt darauf hin - er zelebriert den Genuß - das Kind ist
der Höhepunkt in seinem Dasein.....es erquickt den Kobold ........
Rumpelstilzchen ist ein Schmarotzer - ein Blutsauger.Seine hohen Ansprüche und Wünsche sind in der Feiervorbereitung beschrieben. Der Kobold nimmt von der Königin in großem Maß.Ihre eigene früh geprägte Bedürfnis- und Willenlosigkeit sind die Sicherheiten des Kobolds. Ein einfacher und schlauer Plan, der verdeckt bleiben muß.Ihre Bedürfnislosigkeit und Willenlosigkeit machen sie verfügbar, benutzbar und wehrlos. Sie kennt keine eigenen Bedürfnisse und hat keine Veranlassung, sich einzusetzen. So einfach funktioniert eine rechtzeitiges und konsequentes Training.Einzige Vorsichtsmaßnahme ist die Geheimhaltung des Plans.
" Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach, wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß."Das Wissen über das Wesen des Rumpelstilzchens ist zwar Voraussetzung für die Benennung, aber die tatsächliche Konfrontation mit dem fordernden Kobold steht noch an. Er rechnet nicht mit einer Veränderung der Königin.
Der Kobold kommt zum 3. Mal, um das Kind zu holen.
Gefühle von Wut und Zorn überfallen Rumpelstilzchen, als die Königin den Kobold benennt.
Wut und Zorn sind Gefühle, die aus einer Ohnmächtigkeit entstehen
und nicht zugeordnet werden können oder dürfen. Sie werden nun auf den
König, den aktiven Spiegel in Rumpelstilzchen gerichtet und im König zum
Ausdruck gebracht. Rumpelstilzchen, der verlängerte männliche Arm in
der Frau ist nicht mehr mächtig. Der König wird von der Königin benannt
werden müssen und seine Forderungen werden abgewiesen. Der Zorn des
Königs wird groß sein.
Die passive Spiegelseite löst sich im Zuge dieser Aktion.
Die Prozeßfigur Rumpelstilzchen zerreißt sich in 2 Teile. Der Doppelspiegel zerbricht,.der teuflische Prozeß ist beendet.
Der König hat nicht mehr seine " Wunschfrau" - sie erfüllt nicht mehr die Zuschreibungen und Erwartungen.
Rumpelstilzchen spiegelt am Ende die Reaktion des Königs. Er ist wütend und zornig auf die Veränderung der Königin.
Abschluß des Märchens - Spiegelung über das gerettete Kind
Das gerettete Kind der Königin ist abschließend ihr eigener Spiegel. Sie hat sich selbst gerettet.
Der gegengeschlechtliche Spiegelungsprozeß wird aufgelöst und das Entwicklungsziel durch Selbstspiegelung beschrieben. Die Königin findet zu sich selbst.
Das Märchen endet nicht mit der Beschreibung eines glücklichen Paares, sondern mit der Rettung des Kindes und der Auflösung von Rumpelstilzchen.
Die Königin hat sich aus ihrer Fremdbestimmung und innerlichen Männerhörigkeit befreit.