Der falsche Knecht Rupprecht

Dieses Bilderbuch nach einer wahren Begebenheit aus meiner Kindheit habe ich meinem großen Bruder Franz zum 75. Geburtstag geschrieben. Ich erachte es für wichtig, dass die heutigen Kinder die Erziehungsmethoden der Vergangenheit kennenlernen, um den Gesamtzusammenhang der Generationen nach und nach zu verstehen. Die kulturelle Prägung durch Erziehung ist m.M.n. sehr wichtig und entlastet alle Lebenden und auch Verstorbenen von leichtfertigen Schuldzuweisungen. die Kultur ist der zweite Mutterschoß des Menschen und spielt leider in Therapieplanung keine Rolle. Dieses Bilderbuch eignet sich für größere Kinder, um über das Thema Gewalt und Erziehung zu sprechen. Kleineren Kinder könnte es Angst machen, so dass man vorsichtig sein muss. 


Auszug - Anfang der Geschichte

Der Knecht Rupprecht, in Bayern auch Krampus oder Kramperl genannt, war und ist der Begleiter des Heiligen Nikolaus. Er trägt derbe Kleider, hat eine Rute in der Hand und immer einen Sack dabei, in dem die Geschenke für brave Kinder sind. Manchmal droht er auch, die bösen Buben in den Sack zu stecken, aber er tut es nicht. Der Krampus muss dem Heiligen Nikolaus gehorchen und darf nicht zuschlagen, nur wenn nötig, ein bisschen mit seiner Rute fuchteln, um die warnenden Worte des Heiligen Nikolaus zu unterstreichen. Der Krampus war und ist nur der Helfer des Heiligen und nicht der eigenmächtige Bestrafer der Kinder. So war es früher und so ist es auch heute.

Die Kinder von früher fürchteten sich sehr vor einem Krampus, wenn dieser alleine in die Stuben polterte, drohte und auch kräftig zuschlug. 

Früher war vieles auf der Welt anders als heute! Kinder wurden mit Strafen und Drohungen erzogen.Die Prügelstrafe war moralisch und gesetzlich erlaubt. Sogar Lehrer durften in der Schule die Kinder mit dem Stock bestrafen und ihnen Tatzen auf die Hand oder auf den Hintern geben.

Kinder sollten durch Angst vor Strafe lernen, folgsame und tüchtige Menschen zu werden. Gehorsam, Fleiß und Tugendhaftigkeit wurden auf diese Weise erzwungen. Widerstand war zwecklos. Das war so!

Heute ist die Erziehung zum Glück anders. Heute gibt es Kinderrechte und absolutes Prügelverbot. Es dauerte jedoch sehr lange, bis sich die Verantwortlichen in den Schulen, Behörden und Kirchen daran gewöhnten. Glücklicherweise waren nicht alle Erwachsenen so grausam zu Kindern, aber die, die es waren, wurden früher nicht bestraft. Die Kinder und auch oft ihre Eltern litten unter diesen Erziehungsmethoden.

Und so geschah es einmal, und das ist wirklich wahr........

Es war am Nikolaustag. Der Knecht Rupprecht begleitete den Heiligen Nikolaus von Haus zu Haus. Natürlich konnten die beiden nicht alle Kinder besuchen, so dass der Bischof Nikolaus viele Helfer hatte, die von Haus zu Haus gingen und den Kindern Äpfel, Nüsse und Schokolade brachten. Der Heilige Nikolaus las aus seinem goldenen Buch von jedem Kind Lob und Tadel vor, belohnte es und gab auch Ratschläge für eine Besserung. Der Knecht Rupprecht trug den Sack und hatte natürlich, wie heute auch, eine Rute dabei, die er manchmal den frechen Buben vor die Nase hielt! Der Knecht Rupprecht tat nur das, was der Nikolaus ihm erlaubte. Wie jedes Kind weiß, war der Bischof Nikolaus ein gerechter Mann, der die Kinder liebte und sich um sie sorgte. Als er auf der Erde lebte und Bischof in der Türkei war, brachte er vielen armen Kindern Essen und das, was sie unbedingt zum Leben brauchten, wie warme Kleider und gute Schuhe. Viele Kinder lebten früher in Armut und warteten sehnsüchtig auf den Nikolaus, der ein großes Herz für Kinder hatte. Kein Kind musste vor ihm Angst haben, nicht einmal, wenn es ab und zu ein wenig bös gewesen war. Kinder sind manchmal ungezogen, frech, übermütig und unvorsichtig, machen Sachen kaputt oder schmeißen mit Dingen um sich, aber richtig bös sind Kinder fast nie. Kinder können gar nicht so bös sein wie manche Erwachsenen.

Und so beginnt die Geschichte von einem erwachsenen Mann.

Dieser dachte sich eine echt böse Tat aus. Er verkleidete sich in einen wilden Krampus mit großen Stierhörnern und zotteligen Haaren. Seine Füße steckten in bedrohlichen Stiefeln, die laut knallten, wenn er aufstampfte. Er hatte einen leeren großen Sack bei sich, um die Kinder hinein zu stecken. Wie jeder Knecht Rupprecht hatte er eine Rute dabei, jedoch seine Rute war aus dickem stacheligen Reisig, um den Kindern weh zu tun. Um seinen Leib hatte er eine Kuhkette geschlungen, mit der er schepperte, dass ihn die Kinder von Weitem hörten und vor Angst schlotterten. 

Das Krampusmonster befahl dem Franzl herzukommen: "Komm her, du kleiner Angsthase!" Franzi tat es, aber ein Angsthase war er nicht.

Er stellte sich neben den Krampus hin und seine Kniee zitterten. Glücklicherweise konnte der Knecht Rupprecht das nicht sehen. Franzl stand tapfer da und hielt sogar stand, als das Monster seine riesige Hand auf Franzls Schulter schlug und ihn kräftig schüttelte.

"Na, da haben wir ja einen Bösewicht, der die Rute verdient hat und vielleicht sogar den Sack. Ich höre, du bist ein richtiger Schwächling und Angsthase. Ich muss dir lernen, nicht immer davon zu laufen, sondern ein paar Prügel auszuhalten. Was soll aus dir wohl werden?"

Franzl schwieg und beobachtete das Monster ganz genau. Er wollte eine Gelegenheit suchen sich zu befreien.

Christl rutschte von dem Kanapee hinunter zu Rex, um sich hinter ihm unsichtbar zu machen. Tränen liefen dem kleinen Mädchen lautlos über die Wangen. Sie hatte Angst um ihren Bruder und drückte sich an Rex, um sich hinter ihm unsichtbar zu machen.

Der Knecht Rupprecht begann mit seinen Vorwürfen gegen den kleinen Bub und befahl ihm, sich nieder zu knien und umzudrehen. Seine Rute kam immer näher auf Franzis Hintern zu. Rex knurrte wieder, aber diesmal energischer. Sein Körper spannte sich und er richtete seine Hinterbeine auf. Der Vater bemerkte es nicht, denn er behielt den wütenden Krampus im Auge, um rechtzeitig einzugreifen und den kleinen Sohn zu schützen. Der Zorn des Krampus kam dem Vater sehr merkwürdig vor.

Da machte das Krampusmonster den Sack auf und wollte mit der anderen Hand nach Franzi greifen. Ruckartig sprang der Hund auf den Bösewicht zu, riss ihm den Sack aus der Hand, ließ ihn fallen, sprang an die Stiefeln, riss die Hosenbeine auf und biss ihn immer wieder in die Waden. Das Monster schlug mit der Rute auf den Hund und sprang wie ein Rumpelstilzchen von einem auf das andere Bein.

Nun musste Franzl seinen Mut beweisen und der brave Hund half, das Krampusmonster zu vertreiben. Der Vater handelte ebenfalls...........

Der falsche Knecht Rupprecht wird nun hinaus gejagt....in den Wald!

Danach zog der Vater kräftig an den Hörnen des Bösewichts und riss ihm die Maske vom Gesicht. Der falsche Knecht Rupprecht wehrte sich plötzlich, denn er wollte nicht erkannt werden, doch der Vater war in seinem Zorn viel stärker als dieser.

Nun sah der Vater, wer hinter der Maske steckte, und erkannte den Bösewicht. Dieser versuchte schützend seine Hände über den Kopf zu halten und bettelte um Gnade. Der Vater drohte ihm mit der Rute und schimpfte den Feigling "einen gemeinen Drecksack". Am Ende schubste er ihn ins Gebüsch. Dann machte er kehrt und ging zurück zum Hof.

In der Stube war es still, mäuschenstill, als Rex zurückkam und mit dem Schwanz wedelte. Das bedeutet immer, dass sich der Hund sehr freut. Er legte sich an seinen Platz und wartete.

Bald danach hörte man schon die Schritte des Vaters, der noch immer schnaubend und wütend in die Stube trat: "Dem hab ich aber gezeigt, was Angst ist, dieser Drecksack, dieser Feigling, kleine Kinder erschrecken, das kann er aber dann selbst um Gnade winseln, wenn er die Rute sieht....."

Der Vater konnte sich kaum beruhigen. Seine Jacke war zerrissen, aber er hatte die Rute in der Hand. "Der kommt nicht mehr zurück, der Saukerl. Es war der Holzknecht von Wolfsbichl, den ich damals beim Stehlen erwischt habe. Er wollte sich rächen. Den hab ich vom Hof gejagt!"

Der Vater gab dem Franzl die Rute: "Da, die kannst du nun haben als Erinnerung. Du warst sehr mutig. Und wenn wieder ein Bösewicht versucht, dich zu schlagen, dann denk daran, dich zu wehren."

Der Vater streichelte Rex über den Kopf und lobte ihn: "Braver Hund, ganz braver Hund!" Dann ging er, ohne Worte zu machen, wieder hinaus. Bald kam er mit einer großen Wurst aus der Räucherkammer zurück. Rex wedelte aufgeregt mit dem Schwanz und verzehrte diese Belohnung ratzfatz auf seinem Platz. 

Dann setzte sich die Familie an den Tisch und redete noch lange über dieses Monster mit den Hörnern, der Rute, der Kette und dem leeren Sack.

Ach ja, der Sack lag immer noch in der Ecke. Der Großvater hob ihn auf und schaute hinein. Er erinnerte sich an viele Erlebnisse aus seiner Kinderzeit, wo das Angst einjagen noch üblich war. "Zu meiner Zeit mussten die Kinder gehorchen und arbeiten. Zum Spielen hatten wir sehr wenig Zeit und zum Lernen auch. Und leider war es damals erlaubt, die Kinder zu schlagen.

Gott sei Dank sind diese Zeiten nun vorbei, denn Kinder sind nicht bös!", meinte der Großvater und die Großmutter nickte.

Christl aber fragte: "Warum machen das die Menschen? Sind die Erwachsenen denn bös?" "Ja, manche schon. Hunde merken sofort, wenn jemand gefährlich und böse ist", meinte der Großvater. "Sei froh, dass du so einen treuen Freund hast. Rex hat euch beschützt und mutig gegen den Monsterkrampus gekämpft!"

Diesen Nikolaustag haben die Kinder nie vergessen. Franzi stand wirklich vor einem Monster aus Fleisch und Blut. Gut, dass er Rex an seiner Seite hatte. Rex war und blieb der Beschützer und Freund der Kinder.

Der Vater hing die Maske des Bösewichts an den Hausgiebel. Franzl schrieb ein großes Schild "Hier wache ich" und zeichnete einen Hund daneben. In diesem Haus gibt es keine Chance für Bösewichte.

Anmerkungen zum Buch

In der Großelterngeneration war kein Mangel an Gelegenheiten sich der Gefahr, auch der Gewalt zu stellen, sie direkt zu erfahren und darauf zu reagieren, wie auch immer. Es musste gehandelt werden, notgedrungen, denn es gab kein Ausweichen. Macht Kinder diese direkte Auseinandersetzung stark? Schwächt zu viel Schutz? Ist unsere Gesellschaft eine weichgespülte und alles beschönigende Gesellschaft, die die menschlichen Aggressionen nicht wahrhaben möchte. Ist unser christliches Menschenbild noch zeitgemäß oder muss es neu definiert werden? Muss das sog. Böse im Menschen aufgedeckt und neu benannt werden? Der Teufel ist es sicherlich nicht, der das Böse in die Welt bringt! Das Böse wird meistens verborgen, verlagert, projiziert, verleugnet. Dafür gibt es politisch und privat unzählige Beispiele. Diese Art der menschenerdachten Entlastung funktioniert nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern überall und immer! Der Mensch steht nun endlich neu auf dem Prüfstand und seine Schattenseiten werden sichtbarer!

Zurück zur Familie:

Die meisten Eltern fürchten sich davor, ein auffälliges Kind zu haben, das sie in die Öffentlichkeit zwingt. Gewalt ist abstoßend. Kindergewalt ist für Eltern und Gesellschaft ein No go! Ab zum Therapeuten oder zum Kinderarzt, um normal zu werden. Tätersein ist tunlichst auszumerzen!

Auf der Opferseite werden Kinder trainiert Stopp zu sagen, wie "das will ich nicht, und ähnliche Floskeln!" Ist das hilfreich? Was also tun, wenn trotz aller Bemühungen, Kinder die Gewalt suchen oder unter ihr leiden? Die vielen Angstfiguren in den Filmen tragen nicht wirklich bei, dieses Problem zu lösen. Alles ist fiktiv und eigentlich Phantasie, nicht wirklich, nicht echt und keine Auseinandersetzung, keine eigene Leistung, keine Bedrohung, sondern nur Nervenkitzel vor der Glotze! 

Die eigene Leistung ist die Lösung!

Das Kind muss sich den Erfolg gegen die Angst selbst verdienen, oder den Misserfolg und damit die Angst einstecken. Die nächste Gelegenheit kommt sicherlich. Angst wird bewältigt oder sie überwältigt, mal so ml so, aber das Bewahren vor Gefahr und die Unterdrückung der Angstgefühle nützen gar nichts. Kinder werden damit nur hilflos gemacht und bei Gelegenheit entweder extrem aggressiv oder schleichend depressiv.

Kinder sollten altersentsprechend auch über die unterschiedlichen Bedingungen der Lebensbedingungen unterrichtet werden. In welcher Zeit, in welcher Not und unter welchen Bedingungen handeln Menschen wie? In der Vergangenheit waren völlig andere Verhaltensregeln gültig, an die sich die bislang gegängelten und unfreien Menschen hielten und halten mußten. Das ist überlebenswichtig gewesen und Opposition war hochgefährlich, wenn nicht tödlich! Schuld- oder Dummheitsvorwürfe aus der heutigen Zeit in die Vergangenheit gehen an der Wirklichkeit und Gerechtigkeit vorbei! Also, bitte Respekt und viel Erklärung, denn nur so lernen Kinder, dass sich Menschen in ihrer gültigen Kultur verändern. M.n.n. ist nicht die persönliche Psychotherapie der Schlüssel zur Veränderung, sondern die kulturelle Therapie der Weg von Gewalt zur Gewaltfreiheit! Die kulturellen Normen müssen sich in diese Richtung verändern. Nicht die Täter dürfen von Gewalt profitieren, sondern die Opfer müssen Gehör finden und einen Ausgleich erfahren. Davon sind wir aber heute noch weit entfernt. Zumindest wird darüber gesprochen und nicht alles unter den Tisch gekehrt.

Gefahr, Angst, Macht und Gewalt gehören in ein Kinderdasein und nicht sofort und dauerhaft in professionelle Hände. Wir neigen zur Therapiegesellschaft, ein Ersatz für die sich auflösende Kirche! Therapeuten - die neuen Priester? Gewaltbearbeitung wieder im Verborgenen? Ein Rückfall unter anderer Personalbesetzung?

Aus welchem Grund habe ich die Geschichte aus meiner Kindheit aufgeschrieben und ich könnte noch viele unter diesen Gesichtspunkten schreiben:

Die Kinder müssen die Kinderwelt ihrer Eltern und Großeltern kennen lernen, um zu begreifen, wie sich die Welt der Kinder verändert hat und weiter verändert. Meine Enkelkinder hören diese Geschichten gern und immer wieder. Sie hängen sich an mich und begleiten mich in meiner damaligen Kinderangst. Sie erleben ein wenig mit mir, was sie selbst nicht mehr erleben können! Auch das hilft ein wenig, mutiger unter meinen Bedingungen zu werden. Sie müssen sicher andere Gefahren bestehen, und vielleicht können sie dann auch über ihr Handeln und ihre Ängste reden. Das wäre auch ein Gewinn.

Viele Wege zur Angstbewältigung sind möglich und hilfreich, nur nicht trainierte Floskeln und Gewaltvermeidung durch Überfürsorglichkeit der Eltern, Erzieher und Therapeuten.

Die eigene Leistung in der Angstbewältigung ist die persönliche Rettung, und wird auch die Projektionen auf andere verringern. Wer Gefahr gespürt und gemeistert hat, wird vermutlich sensibel mit anderen Menschen umgehen.

Der verbreitete Glaubenssatz "wer Gewalt erfahren hat, wird höchstwahrscheinlich Gewalt weitergeben", ist nicht wirklich wahr, sondern nur eine kulturell gemachte moralische Ausrede einer Gewaltprojektion, um von sich selbst abzulenken.

Jeder Mensch kann unter bestimmten Bedingungen berechtigt oder unberechtigt gewalttätig werden. Angst des Menschen vor den Menschen, ist das versteckte Thema dieser kleinen Kindergeschichte. Angstmachen war und ist heute noch immer Erziehungsmethode. Wie geht es anders? Angsterkrankungen füllen die Wartezimmer der Fachleute.